Johanna van Emden

Ausstellung Die blaue Stunde

Projektraum Robert Funke

Neu Isenburg | 2015

Über Werk und Ausstellung

Die Ausstellung „Die blaue Stunde“ im September 2015 zeigte die zwei Bilderzyklen „BDM“ und „Schreber“ aus den Jahren 2009-2010 und 2013. Zu sehen waren teils grossformatige Collagen auf Leinwand und auf/aus Papier von Johanna van Emden (aka Petra Johanna Barfs). Lesen Sie dazu auch den Text der Kunsthistorikerin Esther Erfert unter den Ausstellungsansichten.

Ansichten

Fotografie: Johanna van Emden

Über die Ausstellung „Die Blaue Stunde“
von Esther Erfert; 2015

Petra Johanna Barfs (Johanna van Emden), Künstlerin aus Frankfurt, wächst in einem politisch aufgeklärten Elternhaus auf. Ihr Großvater, ein sehr engagierter Sozialdemokrat, spielt auch nach seinem Tod, als Barfs geboren wird, eine wichtige Rolle in der Familie. Ihr wird in Erzählungen über ihn ein ‚indirektes Deutschsein‘, wie Barfs es nennt, vermittelt. Dies und auch ihre frühe Vorliebe für den deutschen Heimatfilm, der in der Nachkriegszeit den Menschen durch die schönen Landschaftsaufnahmen und die scheinbare Emotionalität eine heile Welt suggerieren sollte, wird später in ihrer Kunst zu einer wichtigen Anregung.
Während des Studiums der Interdisziplinären Kunst an der Akademie Minerva in Groningen in den Niederlanden wird Barfs durch ironische Bemerkungen öfter auf ihre Herkunft gestoßen und beginnt sich mit dieser noch bewusster auseinanderzusetzen. Themen wie die eigene deutsche und die gemeinschaftliche Identität, deutsche Geschichte und deutsche Landschaft, Erinnerung und Heimat beschäftigen sie und werden nun zu konkreten Themen in ihrer Kunst. Barfs entwickelt ein Interesse an gesellschaftlichen Systemen, die versuchen eine Welt zu idealisieren und eine Perfektion anstreben, deren Ziel es ist, das Individuum zu lenken und zu reglementieren.

Während der Zeit in Groningen beschäftigt sich Barfs intensiv mit dem Medium Film, denn die Malerei war, wie sie sagt, damals eher ‚verpönt‘. Nach dem Aufenthalt in den Niederlanden macht sie ein Aufbaustudium ‚Elektronische Medien‘ bei Prof. Bernd Kracke an der HfG/Offenbach und ein Gaststudium in der Filmklasse bei Prof. Monika Schwitte an der Staedelschule Frankfurt. Parallel dazu arbeitet sie als wissenschaftliche Mitarbeitern am Filmmuseum in Frankfurt. Barfs hat einen Weg gefunden die beiden Genres zu verbinden. Die hier ausgestellten Werke wirken oft wie Filmsequenzen, die dargestellte Landschaft wird zum Bühnenbild, in dem sie die Figuren agieren lässt.

Im Jahr 2009 bekommt sie das Stipendium AIR Artist in der Residence Krems in Österreich und wird auch hier mit der NS-Zeit konfrontiert. In der ehemaligen Gauleiter-Stadt beginnt sie sich mit dem Thema Hitlerjugend und im speziellen mit dem Bund deutscher Mädel auseinander zu setzen. Sie führt Gespräche mit Historikern und bekommt von Ihnen Bildmaterial zur Verfügung gestellt.

In der Ausstellung Die Blaue Stunde, die in Kooperation mit der Galerie Wolfstaedter im KunstVoll Projektraum, stattfindet, präsentiert Petra Johanna Barfs die Serien BDM (2009/2010) und Utopia (2013). Der Ausstellungstitel Die Blaue Stunde bezieht sich auf eine Zeit am Tag, in der sich ein Zustand ändert. Der Tag geht zur Neige und die Dunkelheit erhält Einzug, es ist ein Zwischenzustand, der sich ständig verändert und der etwas traumhaft unwirkliches hat. Barfs hat für diese Ausstellung den Projektraum komplett umgestaltet. Eine in schiefergrau angelegte Gebirgssilhouette zieht sich auf weißem und intensiv rubinrotem Hintergrund durch den Raum. Während die Galerie meist die neutrale Hülle, den idealen ‚weißen Raum‘, für die Kunst bietet, der in keiner Weise die Kunst beeinflussen soll, verhält es sich hier genau entgegen gesetzt. Der Raum wird zu einer Kulisse und damit zu einem Teil der Kunst. Die Landschaft geht über den Bildrand hinaus und wird raumbestimmend, Fläche und Raum verfließen ineinander. Der Betrachter bewegt sich in einer abstrahierten Bergwelt, wird selbst ein Teil derselben und erlebt wie die Kinder und Jugendlichen in den Werken von Barfs in ’schönen‘ Landschaften drangsaliert werden. Die Kunst ist nicht mehr nur das Werk, das sich an der Wand befindet und von der sich der Betrachter jederzeit abkehren und distanzieren kann. Er selbst wird körperlich mit einbezogen, ob er will oder nicht, wird Teil dieser Inszenierung und Statist, Beobachter und Betrachter in einem.

Petra Johanna Barfs präsentiert zwei Serien, die Systeme der Kinder- und Jugenderziehung behandeln. Opfer dieser Systeme sind Kinder, die von Erwachsenen gedrillt werden und in ihrem späteren Leben wenn nicht traumatisiert, doch stark gezeichnet sind. Der Bund Deutscher Mädel war der weibliche Zweig der Hitlerjugend und sollte die Mädchen zu starken und tapferen Frauen erziehen, die dem Mann beistehen, dem Vaterland Kinder gebären und sie im Sinne des Regimes erziehen sollten. Ab dem Alter von zehn Jahren wurden die Mädchen neben Elternhaus und Schule durch diesen Bund erzogen und auf die Zukunft vorbereitet. In Friedenszeiten bestand das Leben der Mädchen aus dem Erlernen der weiblichen Tätigkeiten, sportlichen Aktivitäten und der kulturellen ‚traditionellen‘ Erziehung mit Volkstänzen und Liedern. Aber auch aus Freizeiten, von denen die Mädchen normalerweise ausgeschlossen waren. So ermöglichte der BDM ihnen mehr Freiheiten und mehr Verantwortung zu übernehmen. Die Nationalsozialisten propagierten eine idyllische heile Welt in einer perfekten Gemeinschaft.

In Kriegszeiten jedoch wurde aus dem Spaß sehr schnell Ernst. Ab 1938/39 wurden die Tätigkeiten neu strukturiert. Die Mädchen führten Sammlungen durch, waren im Ernteeinsatz, halfen in Krankenhäusern, etc. Sie wurden Teil der Kriegshilfsorganisation. In der Collage-Serie über den Bund deutscher Mädel entnimmt Barfs einzelne Figuren dem Buch So waren wir und verarbeitet Originalmaterial aus alten Zeitschriften, Büchern und alte Fotografien. Es sind durchgehend Abbildungen von Sportveranstaltungen, in denen gesunde, durchtrainierte und schöne Mädchen abgebildet sind. Barfs lässt diese Mädchen jedoch nicht mehr in der ursprünglichen Masse auftreten, sondern löst sie aus dem Kontext. Durch das Separieren und die Vergrößerung der Figuren werden sie zu eigenständigen Wesen, zu Individuen und als solche vom Betrachter wahrgenommen. Diese Mädchen blicken ihn an, lächeln sympathisch, freuen sich ihres Lebens oder wirken einsam und in sich gekehrt. Der Betrachter baut eine Beziehung zu ihnen auf und beginnt über ihre Situation nachzudenken und sich Fragen zu stellen. Er weiß eigentlich schon beim ersten Blick auf die Collagen worum es geht, denn es sind Bilder, die sich uns über lange Zeit eingeprägt haben. Die Unbeschwertheit und das Lächeln der Mädchen und die scheinbare ‚heile Welt‘ tragen für uns, die wir um die Geschichte wissen, die Gräuel des Nationalsozialismus in sich.

Aus Erfahrenem und Erlebtem entstehen in Barfs Kopf so etwas wie Filmsequenzen, aus denen sie sich Szenen ‚herauspickt‘ und sie in ihren Arbeiten darstellt. Die Figuren werden in eine Art Kulisse gesetzt, wirken jedoch verloren in ihr. Wenige Protagonisten und die Landschaft, das ‚Bildpersonal‘ ist sparsam und konzentriert gesetzt. Die Figuren haben keinen Kontext und keinen Bezug zur Umgebung und bilden in ihr einen harten Kontrast in der Formgebung. Die Landschaften sind meist nicht einladend für den Betrachter, die Tannen und Berge stehen ihm blockhaft gegenüber und wirken abweisend.

Die Ironie und die Ernsthaftigkeit, mit der Barfs diese Arbeiten erschafft, stößt den Betrachter brutal auf die Realität. Barfs lockt ihn mit scheinbarer Schönheit und ‚guten Gefühlen‘, die in Anbetracht dieser Landschaften entstehen könnten und konfrontiert ihn schonungslos mit den Fakten der Geschichte, vor der einige am liebsten die Augen verschließen würden.mDabei möchte Barfs mit diesen Werken keine politischen Botschaften verbreiten und hat keine erzieherischen Absichten. Ihre Kunst hebt nicht mahnend den Finger!

Sie bedient sich des politischen und setzt es in ihre Bildsprache um. Mit stereotypen Bildelementen erzählt sie Geschichten und erschafft ‚Traumwelten‘. Diese spielen in einer Kulisse aus Bergen und Natur, oft kombiniert mit deutschen Standardarchitekturen, die sich einem Bergmassiv gleich vor dem Betrachter aufbauen können. Realität und Fiktion liegen dicht beieinander und verfließen fast ineinander.

Barfs appelliert an das Mitdenken des Betrachters: Ich löse das künstlerisch und ich glaube an die Selbständigkeit des Betrachters! In einer Mischtechnik aus Collage und Malerei auf Papier oder Leinwand verwendet sie die Figuren und Architekturen in Fotokopie und kombiniert sie mit ebenfalls kopierten Landschaften und eigenen Fotografien. Sie lasiert und koloriert verschiedene Elemente in unterschiedlichen Graden. So stehen zarte Figuren in Kontrast zum in schweren Farben gehaltenen deutschen Wald. Für die Tannen mischt Barfs aus Pigmenten eigene intensive Grüntöne, die von Bild zu Bild leicht variieren. Die Farbe Grün spielt eine bedeutende Rolle in ihren Werken, denn es steht für sie für einen bestimmenden Teil der typisch deutschen Natur: die Deutsche Edeltanne.

Auffallend in ihren Collagen ist eine immer wiederkehrende Zickzacklinie, die viele ihrer Werke bestimmen. Ob in der Gestaltung der Berge, der Anordnung von Architektur oder der Tannen, diese Linie formt die Objekte fast kristallin. Scharfe kantige Abgrenzungen ziehen sich meist in mehreren Ebenen durch das Bild.
In dem Werk Geislerspitzen setzen sich die Konturen der Berge in einer Zickzacklinie hart von dem gemalten Himmel ab. Davor steht aufrecht, wie eine Armee und ebenfalls durch diese Linie betont, ein Wald aus Deutschen Edeltannen in einem dunklen intensiven Grünton. Die Linie betont nicht nur die Härte der Konturen, sondern gleichzeitig auch die des Inhalts und dessen Zerrissenheit. Den Himmel malt Barfs in weichen Formen, unter ihm spielen sich die realistisch in Szene gesetzten Geschichten ab.

Im Vordergrund mittig befindet sich ein kleines Mädchen mit geflochtenen Zöpfen, dessen Haltung in sich gekehrt wirkt. Auch dieses ist scherenschnittartig ins Bild gesetzt und hebt sich durch seine Farblosigkeit stark vom Grün des Waldes ab. Seine weichen Körperformen stehen einerseits im Kontrast zu der übrigen Härte im Bild. Andererseits wiederholt es die Blockhaftigkeit der Berge und nimmt ihre ‚Farbe‘ wieder auf.

Die Mädchen mit ihren weiblichen Formen setzt Barfs in eine unwirtliche scharfkantige Umgebung und unterstreicht dadurch ihre Isolation im Bild und ihre Verlorenheit in diesem System.

Auch das Mädchen in dieser Collage ist allein. Sie erscheint in ihrem Sporthemd und ihrer Haltung isoliert und traurig; ihre Haltung und ihr Dasein verlieren herausgelöst aus der Gruppe seinen Sinn. Rechts des Mädchens befindet sich ein typisch deutsches Reihenhaus, strahlend weißgelb gestrichen, mit einem leuchtenden roten Dach, einer einladenden Terrasse und einem Eindruck von totaler Ordnung und Sauberkeit. Eine Idylle, die keine ist, eine Heimat, die Schrecken verbreitet und ein Kind, das darin verloren ist …

Das Werk Schwestern von 2009 wirkt wie eine filmische Sequenz, die beiden Mädchen und der Adler scheinen wie in der Bewegung angehalten. Das hintere Mädchen scheint auf das im Vordergrund zu zu gehen, es kann sein, dass sie Blickkontakt haben. Doch ein Adler schiebt sich zwischen sie, er schaut nach unten und seine Krallen bereiten sich auf die Landung vor. Wie eine Wand schiebt er sich zwischen die beiden Mädchen. Er wirkt bedrohlich mit seinem großen dunklen Körper. Er, der für das Wappen des Dritten Reiches, aber auch für die heutige Bundesrepublik Deutschland Pate stand. Der Adler, das alte deutsche Symbol, das von den Nazis missbraucht wurde.

Beide Mädchen bewegen sich auf einer tiefgrünen Wiese, auch sie tragen die damals übliche Sportkleidung. Im Hintergrund sehen wir ein Haus mit Balkon, das ein wenig verdeckt wird. Es handelt sich wieder um ein Reihenhaus, eine deutsche Standardarchitektur, die keinen eigenen ausgeprägten Stil und Charakter hat und gut auf den ersten Blick als eine deutsche Architektur zu erkennen ist.

Über der Szene hat Barfs einen weißen Himmel angelegt, der partiell das Blau durch die sonst geschlossene Wolkendecke durchscheinen lässt. Die ganze Atmosphäre des Bildes ist ruhig, doch die bedrohlich wirkende Trennung der beiden Mädchen, den Schwestern, durch den Adler, lässt den Betrachter nichts Gutes erahnen.
Barfs nimmt sich die Freiheit solche Themen in ihrer Kunst aufzugreifen und zu thematisieren. Sie erschafft Szenen aus Stereotypen, in der sie die isolierten Figuren agieren lässt.

Junge gesunde, gut trainierte Mädchen in anheimelnden heimatlichen Landschaften, Barfs setzt Klischees zusammen, neben- und ineinander, erzählt ihre eigenen Geschichten und spielt Möglichkeiten durch. Scheinbare Heimat, Gemeinschaft und Zusammenhalt stehen bei ihr für eine Geschichte, die uns alle angeht.
Wirkt ein Werk anfänglich so friedlich, beruhigend, uns allen vertraut, die Mädchen beunruhigen den Betrachter und irritieren ihn auf das Tiefste. Wer Barfs Werke betrachtet kommt nicht drumherum, in die Geschichte und deren Tragik einzutauchen. Doch es ist nicht nur ihre Kunst, die uns nicht entkommen lässt. Sie stößt unser Denken an, Erinnerungen erwachen und es sind wir selbst und unsere Reflexion, die uns nicht mehr los lassen.

In der Werkreihe Utopia setzt sich Barfs mit dem ‚utopischen‘ und visionären Weltbild des Daniel Gottlob Moritz Schreber auseinander. Schreber war Arzt, Hochschullehrer an der Universität Leipzig und Hauptvertreter der sogenannten Schwarzen Pädagogik. Im Jahr 1844 übernahm er die Leipziger orthopädische Heilanstalt und beschäftigte sich in seinen Schriften vor allem mit der Gesundheit der Kinder. Er plädierte für eine ’systematische Heilgymnastik‘ und brachte 1858 den Erziehungsratgeber Kallipädie oder Erziehung zur Schönheit heraus. Kallipädie war bei den Griechen die Wissenschaft des Wissens um die ‚Erziehung schöner Menschen‘, mehr jedoch im Sinne der geistig-sittlichen Veredelung. Schreber konstruierte zahlreiche Apparaturen, um ‚gesunde Körper‘ zu formen, wie z.B. orthopädische Kinnbänder, um Fehlbissen vorzubeugen, Schulterriemen, die den Körper im Bett in Rückenlage hielten oder den sogenannten Geradhalter, damit das Kind aufrecht am Tisch saß. Schrebers ‚Idealmensch‘ war gesund an Körper und Geist, tugendhaft, sauber, strebsam und gehorsam und musste dazu von Kind an erzogen werden. Die Kinderzüchtigung Schrebers, die eine absolute Härte gegen Verweichlichung ausüben sollte, versuchte ein Ideal zu erreichen, das die Kinder am Ende systematisch körperlich wie psychisch zerstörte. Auch seine eigenen Kinder versuchte er auf diese Art zu ‚formen‘, mit dem Ergebnis, dass sich der ältere Sohn Gustav mit 38 Jahren das Leben nahm und sein Bruder Paul als klassischer Fall für Paranoia in die Psychoanalyse einging, mit dessen Schriften sich sogar Siegmund Freud und C.G. Jung auseinandersetzten. Im Dritten Reich griff man seine Erziehungsmethoden wieder auf und integrierte sie als einen Teil in die nationalsozialistische Erziehungsideologie, die in der Hitlerjugend angewandt wurde. Barfs entnimmt dem Buch Kallipädie Abbildungen von Kindern mit Sportgeräten oder Apparaturen, die Schreber entwickelt hatte. Diese fügt sie als Kopien mit Landschaften und eigenen Fotos zusammen. In diese meist schwarz-weiß gehaltenen Landschaften setzt sie die Kinder. Hohe kahle Baumstämme, graue karstige Berge, schwarze und manchmal vereinzelt dunkelgrüne Tannen, alles wirkt bedrohlich, farb- und freudlos. Es gibt keinen Himmel mehr und keinen Kontext, nur Ausschnitte aus Landschaften, die Heimat sind und die mit Farbe schön und anheimelnd wären. Wieder begegnet uns die Zickzacklinie, die sich kristallin durch das Bild zieht und die Ebenen klar und scharf voneinander trennt. Vor die Landschaften setzt sie in einem nostalgisch anmutenden Beigeton Kinder bei ‚Leibesübungen‘, meist aber Kinder mit den absurden Apparaturen Schrebers. Die Kinder wirken traurig und verloren im Bild, das nur aus Grautönen besteht. Die Landschaft, die sonst Erhabenheit und Schönheit ausstrahlt, wird für die Kinder zur Hölle. Ein Mädchen liegt festgeschnürt in einem Bett, hinter ihr erheben sich karge felsige Berge, die keine Spur mehr von Vegetation aufweisen. Sie wirken wie ein Traum dieses Mädchens, doch dieser ist nicht schön oder spannend, er ist, wie es scheint, die reinste Qual. Die Collagen konzentrieren den Blick auf die Kinder und ihre Freudlosigkeit, viele von ihnen befinden sich am Rande der Naturszene, sind also meist kein Teil von ihr. Die Verlorenheit der Kinder in den Landschaften oder Bergwelten, die sie bühnenbildartig umgeben, scheint die eigene Verlorenheit der Kinder in ihrem Leben und ihrem Lebenskontext auszudrücken. Nur auf sich selbst fokussiert und mit dem Druck für die Erwachsenen alles richtig machen zu müssen, scheinen diese jungen Menschen in der Bedrohlichkeit einzugehen. Barfs erzählt in diesen so harmlos wirkenden Collagen ‚böse‘ Geschichten, die leider wahr sind. Sie kommen in einem märchenhaften Stil daher, doch sie sind grausam und erschreckend. In diesen Collagen wird Barfs radikaler, sie reduziert Farben und Formen und verstärkt dadurch die Wirkung der Arbeit und die Aussage des Inhalts.

Die Ironie in diesen Werken ist unübersehbar, lässt uns innehalten und noch genauer hinschauen.

Präsentiert werden die Collagen in Rahmen, die die Struktur und den ‚Körper‘ der Collage nicht ‚einsperren‘ sollen. Dadurch entstehen Schattenwürfe durch die die Collage eine noch größere Bühenbildhaftigkeit und gleichzeitig ein Schweben bekommt, dass die Szene noch irrealer wirken lässt.

Esther Erfert M.A. / Kunsthistorikerin

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